Die Oper Stuttgart geht mit Messiaens Saint François d’Assise auf den Killesberg und zurück. Für Regisseurin Anna-Sophie Mahler handelt es sich um ein Werk von exemplarischer Aktualität.
Von Roland H. Dippel
Dass eine Fast-Vierstundenoper mit spiritueller Orientierung wie Saint François d’Assise in den Olymp der Paradewerke des rationalen 20. Jahrhunderts aufsteigen konnte, ist ein bemerkenswertes Phänomen. Seit ihrer Uraufführung im Pariser Palais Garnier am 28. November 1983 gelangte Olivier Messiaens Opern-Oratorien-Hybrid mit in den letzten Jahren verdichteten Aufführungszahlen auch an kleinere Häuser wie das Staatstheater Darmstadt. Ein Erfolg gegen die Maximen des Zeitgeists: Altruismus anstelle emotionaler Vereisung, Erlösungsgewissheit statt Endzeitresignation, metaphorische Fülle statt kalter Kürze. Saint François d’Assise gehört parallel zu Karlheinz Stockhausens Licht-Zyklus mit den sieben Wochentagen und Philip Glass‘ Akhnaten zu den großen, ambitionierten Werken aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit einer offenen, aus der dogmatischen Enge führenden Spiritualität.
Messiaen ist als Komponist und Theoretiker ein Sonderfall. Für die mit ihm lange künstlerisch verbundene Organistin Almut Rößler war es ein „wahrhaft großer Augenblick“, als er in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Erasmus-Preises am 25. Juni 1971 im Concertgebouw Amsterdam bekannte: „Je crois en Dieu!“ („Ich glaube an Gott.“) Für den sich bewusst in der Tradition der katholischen Kirche verortenden, dabei Einflüsse aus der Weltmusik, der Natur und den liturgischen Traditionen der französischen Kunstmusik aufgreifenden Messiaen war Musik eine Straße zur Transzendenz mit seelischem Schwingungsreichtum.
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