Calixto Bieito inszeniert am Deutschen Nationaltheater Weimar (DNT) die Uraufführung von Joachim Raffs Samson. Der Start einer besonderen Programmreihe des Hauses.
Von Roland H. Dippel
Wie „gut“ ist ein Komponist, von dessen sechs Opern zu seinen Lebzeiten nur zwei aufgeführt wurden und drei erst im frühen 21. Jahrhundert? Das nämlich ist das künstlerische Schicksal von Joseph Joachim Raff. Dieses Jahr feiert man den 200. Geburtstag des am 27. Mai 1822 im schweizerischen Lausen geborenen und am 24. Juni 1882 als erster Direktor des Hoch’schen Konservatoriums in Frankfurt am Main verstorbenen Komponisten. Es war die Idee des Weimarer Musiktheater-Chefdirigenten Dominik Beykirch, Raffs ambitionierteste Oper am Ort ihrer Entstehung vorzustellen. Beykirchs letzte Entdeckung in Weimar, Paul Dessaus Lanzelot in der Inszenierung von Peter Konwitschny, rühmten viele Experten als die Opernaufführung des Jahres 2019.
Es wurde Ende des 19. Jahrhunderts schnell still um Raff. Kein Einzelfall: Persönlichkeiten, die sich in Abstand zu Wagner oder dem Mendelssohn-Schumann-Brahms-Kreis hielten, kamen in Deutschland nicht leicht zu Nachruhm. Aus heutiger Perspektive gehört der bis 1890 viel gespielte Raff zu den interessanten Nebenfiguren des Silbernen Weimarer Zeitalters – wie Walther von Goethe, der vom Bariton Ulf Baestlein und dem Pianisten Christoph Ritter als Lied-Komponist beim Kunstfest Weimar 2020 rehabilitierte Enkel des Dichterfürsten; oder der Schauspieler Carl Weiser, der mit seiner Dramen-Tetralogie Jesus Weimar zum protestantischen Passionsspielort vom Range Oberammergaus machen wollte. Raffs große heroische Oper König Alfred auf das Textbuch von Gotthold Logau erlebte 1851, also ein Jahr nach Richard Wagners Lohengrin, am Hoftheater Weimar seine Uraufführung. Die von Brigitte Fassbaender 2020 am Theater Regensburg inszenierte Dame Kobold folgte dort noch 1870. Die posthume Uraufführung von Raffs lyrischer Komödie Benedetto Marcello bei den Herbstlichen Musiktagen Bad Urach 2002 glich einer spärlich gewürdigten Wiedergutmachung. Im September 2022 bringt das Opernkollektiv Zürich mit dem Regisseur Stephan Grögler, dem Dirigenten Davide Fior und dem Orchestra of Europe die Uraufführung von Raffs letzter Oper Die Eifersüchtigen (1882) heraus. Eine Weltersteinspielung ist geplant, die Joachim-Raff-Gesellschaft feiert mit dieser Produktion ihr 50-jähriges Bestehen.
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