Herbert Fritsch nervt an der Staatsoper Hamburg mit einer grellbunten Parodie auf Bizets Carmen, während Yoel Gamzou die Partitur am Pult hochdifferenziert beleuchtet.
Von Andreas Berger
Die grellen Kostümfarben, die überschminkten Gesichter, die mal schunkelnden, mal trippelnden Bewegungen der Figuren machen es gleich deutlich: heute Abend gibt es Carmen albern. Herbert Fritsch hat mal wieder zugeschlagen und macht in der Hamburgischen Staatsoper aus Bizets vorveristischem Gesellschaftsdrama eine Offenbachiade irgendwo zwischen Kasperletheater und Music Hall. Schlagworte wie Freiheit und Gerechtigkeit empfinde er als ausgehöhlt, die religiösen Symbole des Bühnenbilds, immerhin eine bühnenhohe Marienstatue und in den Schmugglerbergen ein überdimensionales Gipfelkreuz, hätten keine Bedeutung, verkündet er im Programmheft. Und so sieht seine Inszenierung dann auch aus: alles Attrappe, ein aufgemotztes Unterhaltungsspektakel, das sich mehr über Opernkonventionen lustig zu machen scheint, als heutigen Zuschauern die realen Provokationen des Stücks erfahrbar zu machen.
Mag Fritsch über Freiheit und Gerechtigkeit gähnen, anderswo ist sie gefährdet. Die alten Mächte von Klerus und Patriarchat sind durchaus noch am Werk, das Selbstbestimmungsrecht der Frauen ist längst nicht gewährleistet, und Roma-Clans stehen in einem alles andere als romantischen Ruf. Bei Fritsch wirken die beiden Schmuggler wie ein Komikerduo, sich buffend und neckend wie die beiden „Zigeunerinnen“ als zappelige Küsschen-Küsschen-Colombinen. Währenddessen laufen die Pralinésoldaten wie alberne Comicfiguren immer an den Ereignissen vorbei. Dazu zockelt der Chor in Frontalstellung heran, ein paar hopsende Nonnen nehmen sich immer vorteilhaft aus, die Torero-Begleiter in Strapsen hingegen kommen weniger gut an, und die Solistinnen und Solisten wirken wie Figurinen, oft genug starr auf die leere Bühne gestellt.
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