Der Freischütz am Theater Basel ist ein echter, klassischer Marthaler. Das Korsett eines Stückes tut ihm gut – auch wenn er es natürlich dehnt und ausreizt und hinterfragt und sprengt. Titus Engel gibt dem Ganzen zusammen mit dem Kammerorchester Basel historisch informierten Konter.
Von Tobias Gerosa
Dem gottesfürchtigen Schlussjubel des Freischütz ist natürlich nicht zu trauen. Der Fürst stimmt ihn zwar an, doch er geht in Kakophonie unter: Ännchen beginnt, den „Jungfernkranz“ zu klimpern, der Frauenchor stimmt ein, die Männer halten mit dem Jägerchor dagegen und das Orchester spielt parallel Ouvertüre und „Wolfsschlucht“. Gerettet, gut und gelöst ist hier offenbar gar nichts – das zeigen nicht nur die vor sich hinzuckenden Figuren auf der Bühne, sondern eben auch die Musik. Dabei hatte alles ziemlich absurd und lustig begonnen.
Man könnte das Kammerorchester Basel – das in dieser Produktion den Platz des Basler Sinfonieorchesters einnimmt – als Liftfahrorchester bezeichnen. Zunächst staunt man beim Einlass, wie unglaublich tief der Orchestergraben diesmal liegt. Dann aber, zu den ersten, wunderbar zarten Tönen der Ouvertüre taucht das Orchester aus den Tiefen auf und wird im Anschluss wieder versenkt – wie noch mehrmals an diesem Abend als einer der running gags dieser Inszenierung (dazu agiert das Orchester auch als einer der Jägerchöre). Entscheidender als diese Demonstration, dass und wie die Musik gemacht wird, ist allerdings, wie alert die Partitur dank kleiner Streicherbesetzung mit Darmsaiten und kerniger Bläser klingt. Dirigent Titus Engel sorgt gerade mit lyrischen, traumschönen Tönen für ein starkes Gewicht gegenüber der Bühne.
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