Die Uraufführung von Christian Josts Journey of Hope in Genf findet opulent-schöne Bilder für eine leidvolle Geschichte.
Von Roland H. Dippel
Das Haus war nur halbvoll, aber der Applaus erreichte Gluthitze. In seiner Oper nach dem Film Reise der Hoffnung von Xavier Koller aus dem Jahr 1990 setzt der deutsche Komponist Christian Jost auf emotionale Klänge und alle physischen wie symbolischen Aspekte des Reisens: Bewegung als Flucht, spirituelle Besinnung, Suche nach besseren Orten, Exodus – und das im Titel von Voyage vers l’espoir (Journey of Hope) erscheinende „Prinzip Hoffnung“. Der Weg ist für Jost in seiner Oper das musikalische Ziel. In Anatolien (erster Akt: „Das Paradies“) umschmeichelt eine virtuose Solovioline die Gedanken über den Aufbruch. Im zweiten Akt werden die Migranten „Auf der Straße“, die sich Richtung verheißungsvollem Westen musikalisch – und in der Genfer Oper auch szenisch – immer mehr verdüstert, von einem Schlagzeugquartett begleitet, gehetzt, verstört. Im dritten Akt „Die Alpen“ sind zwei Trompeten das Klangsignet der in Tod, Verzweiflung und unterstellter Kriminalität endenden Reise der Hoffnung. Anlass zur Flucht war vielleicht doch weniger die Utopie einer besseren Welt als ein Mittel gegen die beginnende Entfremdung des Ehepaares Haydar und Meryem. Zu Beginn beklagen sie das schwindende Vertrauen zueinander, in der Fremde halten sie dann desto inniger zusammen. Sogar, als die Konflikte sich schärfen, kurz vor dem anders als gedacht erreichten Ziel.
Während der Pandemie und der dadurch nötig gewordenen Verschiebung der Uraufführung steigerte sich der Aktualitätsbezug von Káta Webers Textbuch. Denn zunehmend ist neben politischen Anlässen der Klimawandel ein Grund zu fliehen, verbunden mit der Hoffnung auf das Leben in einem der reichen Länder. „Mondes en migration“ ist das Motto der Spielzeit 2022/23 im Grand Théâtre de Genève und diese Uraufführung eines der wichtigsten Projekte: Die Statisterie zeichnet sich durch ethnische Buntheit aus, dem die farbfreudige Ausstattung von Monika Pormale unter dem Diktat der Videos von Rūdolfs Baltiņš nicht nachsteht.
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