Piotr Beczała und Sondra Radvanovsky debütieren am Opernhaus Zürich als Calàf und Turandot – und wie! Szenisch und musikalisch betont die Neuproduktion die Modernität des Werks und seiner Entstehungszeit. Weil auch das gelingt, überzeugt die letzte Neuproduktion vor der Sommerpause auf ganzer Linie.
Von Tobias Gerosa
Und dann ist es einfach aus. Der Name des fremden Prinzen und Rätsellösers bleibt unbekannt. Liù hat sich für ihn geopfert und sich erstochen, um den Namen nicht preiszugeben, der Kampf scheint entschieden, langsam nähern sich Calàf und Turandot einander an. Dann senkt sich der Vorhang: Qui e morto il maestro – hier ist der Komponist gestorben, so wie Toscanini die Mailänder Uraufführung beendet haben soll. In Brecht’scher Spruchbandmanier lässt Regisseur Sebastian Baumgarten diese Entstehungsgeschichte projizieren als Erklärung, warum die Oper einfach abbricht. Das Opernhaus Zürich hat sich entschieden, nur Puccini und damit das Fragment zu spielen, ohne ergänzendes Finale aus fremder Hand. Das ist gerade dramaturgisch durchaus sinnvoll: Was kann aus dieser mit Todesdrohungen, einem Selbstmord aus Liebe und mit gegenseitigen Rätselspielen erzwungenen Annäherung schon entstehen? Wie soll diese seltsame, grausame Prinzessin ihren Überwinder lieben, wie er sie?
So wie Sondra Radvanovsky die eisumgürtete Prinzessin vokal anlegt, kann man sich keine glückliche Beziehung vorstellen. Die Sopranistin hat die Rolle kürzlich für CD aufgenommen (mit Antonio Pappano und Jonas Kaufmann), am Opernhaus Zürich spielt und singt sie die Turandot nun erstmals szenisch. Sie bleibt dieser hochdramatischsten italienischen Partie nichts schuldig, was sie an Power benötigt, und weiß, Töne wie Messer zu setzen. Ihre große Szene „In questa reggia“ setzt sie bedrohlich leise an, schüchtert damit den sich ängstlich abwendenden Chor ein. Trotz Riesenbesetzung kommt sie dann stimmlich nicht nur problemlos durch, sondern gestaltet auch mit jedem Ton eine spannende, vokal differenzierte Figur. Im Duett am Ende der Rätselszene könnte sie ihren Partner Piotr Beczała übertrumpfen (wie fast jede gute Turandot ihren Tenor). Sie tut es aber nicht, sondern die beiden finden mit dem Dirigenten Marc Albrecht zusammen, ein Miteinander mit Kraft und Stil – sonst kippt die Balance bei aller Betonung der Modernität doch oft zu sehr ins erste.
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