Johannes Erath verrätselt Kaija Saariahos L’amour de loin bei der Kölner Erstaufführung zusätzlich – statt zu deuten.
Von Andreas Berger
So unzeitgemäß müsste der Stoff vielleicht gar nicht sein: In Kaija Saariahos Oper L’amour de loin (Die Liebe aus der Ferne) bedichtet der historisch überlieferte Minnesänger Jaufré Rudel eine ideale Geliebte und erfährt später von einem Pilger, dass es diese Sehnsuchtsgestalt wirklich gibt. Aus der virtuellen Sublimation wieder in die Wirklichkeit zurückzukehren, stellt aber für beide ein großes Hemmnis dar: Sie, die Prinzessin Clémence von Tripolis, hat Bedenken, ob sie dem Traumbild, das Jaufré entworfen hat, gerecht werden kann. Und er weiß auch nicht recht, ob das Leben an der Seite der Idealschönen so einfach auszuhalten wäre. Mit solchen Problemen kämpfen die Jugendlichen unserer Tage ja unablässig: Sie stylen ihr virtuelles Ich, bis sich kein Bewunderer mehr an sie herantraut, oder verkrampfen in der ästhetischen Selbstoptimierung zu Fassaden, hinter die nicht mal der/die Geliebte schauen darf.
Doch diesen naheliegenden Weg einer systemkritischen Aktualisierung der Konstellation wollte Regisseur Johannes Erath bei der Kölner Erstaufführung der 2000 uraufgeführten Oper nicht gehen. Er ergibt sich in Bernhard Hammers Bühnenbildern einer Verkünstlichung, die den bereits musikalisch unheimlich entrückten Stoff nicht eben lebendiger macht. Die 13 Szenen des von Amin Maalouf verfassten Librettos sind statisch erörternde Mono- und Dialoge. Saariahos Musik dagegen ist zwar ständig im Fluss, bewegt sich aber über weite Strecken eher in feiner Osmose als in dramatischer Wallung. Der Vergleich mit Debussys Pelléas et Mélisande und Wagners Tristan und Isolde wird da natürlich immer sofort bemüht. Aber in diesen beiden Werken gibt es immerhin noch ein gesellschaftliches Umfeld, gegen das sich die verbotene Liebe behaupten muss. Jaufré und Clémence trennt nur räumliche Distanz.
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