Mit Mauricio Kagels Staatstheater eine Intendanz zu eröffnen, ist ein Statement. Das neue Team am Luzerner Theater um die Intendantin Ina Karr und die Operndirektorin und Regisseurin Lydia Steier wagt diese Abonnentenverstörung: zwar mit offensichtlichem Spaß, aber auch mit wenig Brisanz.
Von Tobias Gerosa
„Haben Sie verstanden, was alles passiert ist, oder überlegen Sie noch, was der Sinn ist? Es geht um Theater.“ Nach gut einer Stunde hat der (fiktive) Regisseur das Spiel unterbrochen – in der innigsten Stelle von Mozarts Figaro-Finale natürlich und wendet sich nun in Dramaturgenmanier direkt ans Publikum. Die ehrliche Antwort müsste lauten: nein. Seine PowerPoint-Präsentation zur Theatergeschichte könnte zweifellos ein paar Stunden dauern – was sogar ins Stück passen würde. Der parodistische Pas de deux, der parallel dazu läuft, würde ihn sicher nicht davon abhalten, die finsteren Kapuzenmänner hingegen weisen das Publikum unmissverständlich aus dem Saal.
Mauricio Kagels Staatstheater ist ein Riesenbaukasten: Szenen, Regieanweisungen, Fetzen aus dem Opernkanon und der Theaterpraxis sind minutiös aufgeschrieben und zum Teil gezeichnet, eine Aufführung muss selbständig zusammengesetzt und kombiniert werden. Und es muss zwangsweise etwas weggelassen werden. Dabei gibt es kein Libretto und schon gar keine Handlung. Daran hält sich Lydia Steier in Luzern aber nur teilweise. Von den neun Teilen spielt man in Luzern lediglich fünf, doch man überschreitet die vorgegebene Maximalspieldauer von 100 Minuten um eine gute halbe Stunde. Grund dafür ist eine Prozession und ein sinniger Ortswechsel vom Theater in die Kirche. Denn Steier, die mit dieser Arbeit ihren Posten als Operndirektorin (gemeinsam mit Lars Gebhardt) aufnimmt, gibt dem Stück eine inhaltliche Linie: die Theatergeschichte, die sie rückwärts aufdröselt.
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