Erst studierte Erin Morley Klavier, heute sorgt sie als Koloratursopranistin für Furore. Im Interview spricht die amerikanische Sängerin über kleine Rollen an großen Häusern, Sabotage durch Bühnenbildner und den zunächst gruseligen Kontakt zum Publikum.
Interview: Uwe Friedrich
Während der Lockdown-Zeit hatten Sie einen riesigen Erfolg mit einem Video, in dem Sie eine Arie aus Donizettis La fille du régiment singen und sich selbst souverän am Klavier begleiten. Ich bin ein bisschen neidisch, dass Sie beides so perfekt beherrschen!
Vielen Dank für das Kompliment! Das war die furchteinflößendste Aufführung meines Lebens und sicher auch eine der schönsten. Es hat auch Spaß gemacht, wieder Klavier zu spielen. Ich habe zunächst Klavier studiert, anschließend Gesang. Ich war sehr glücklich, diese Fähigkeiten wieder einmal nutzen zu können. Wir alle haben uns doch damals nach Aufheiterung gesehnt, da schien mir eine fröhliche Arie wie „Chacun le sait“ angemessener als ein melancholisches Lied. Ich habe mich über die positiven Reaktionen sehr gefreut.
Schon in dieser kleinen Arie wird deutlich, dass Sie die italienische Belcanto-Oper lieben und zum fröhlichen Leben erwecken können. Ist das Intuition, oder sind sie eher musikwissenschaftlich vorgegangen, um die Struktur deutlich zu machen?
Es ist eine Mischung aus beidem. Ich habe eigene Vorstellungen, wenn ich mir Noten anschaue und die Musik probeweise singe. Aber ich informiere mich auch sehr gründlich. Schon allein, was die Aussprache angeht. Ich bin keine Französisch-Muttersprachlerin, also hole ich mir Rat und arbeite an der richtigen Aussprache. Gleiches gilt für die Stilistik. Ich sammle sehr gerne verschiedene Meinungen und Ansichten, um dann herauszufinden, was einerseits zu mir und meiner Stimme passt und andererseits den Vorstellungen des Komponisten gerecht wird. „Chacun le sait“ ist eine Art Walzer, also muss die Arie Schwung, eine Richtung und einen fröhlichen Tanzcharakter haben. Das Publikum soll mitgerissen werden, ohne dass es einstudiert und kalkuliert wirkt. Diese Arie lädt dazu ein, eine schwungvolle Gemeinschaft zu bilden, und das war genau das, wonach wir uns damals alle gesehnt haben. Das scheint funktioniert zu haben.
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