Mariella Devia gehörte zu den legendären Belcanto-Meisterinnen des 20. Jahrhunderts – und blieb doch immer Geheimtipp. Heute lebt sie in Rom und unterrichtet in Neapel.
Von Kai Luehrs-Kaiser
Unter den drei kultisch verehrten Sängerinnen der letzten vier Jahrzehnte – neben Edita Gruberová und Ewa Podleś also – war sie die phantomhafteste. Ein Enigma. In Deutschland ward sie fast nie gesehen; weil sie, wenn sie zwischen zwei Opernhäusern wählen konnte, „das nächstgelegene“ nahm. Selbst CDs sind schwer aufzutreiben. „Alle meine Aufnahmen sind live“, sagt sie kategorisch. „Ich habe meinen Beruf auf der Bühne ausgeübt, für Schallplatten habe ich mich nicht besonders interessiert.“ Punktum. Mariella Devia, heute 72 Jahre alt, lebt in Rom und unterrichtet in Neapel. Sie ist ein Mythos.
Das bedeutet: Wer sich unter Belcanto-Sängerinnen der jüngeren Generation umhört, kriegt neben Gruberová keinen Namen häufiger genannt. Merkmal: ein schwerelos auf dem Atem platzierter, mühelos flutender, technisch makelloser Ziergesang. Kein Drücken, kein sahniges oder gar traniges Nachfärben des Klangs. Kein selbstzweckhaftes Espressivo. Und dabei doch immer völlig angstfrei gegenüber der Gefahr, dass die Stimme sich mit den Jahren etwas eintrüben oder innerlich verziehen könnte. Dieses Risiko nahm sie umso mutiger in Kauf, als die Rollen für sie lange Jahre dieselben bleiben – bei technisch unveränderter Bravour. Als sie mit 58 Jahren noch einmal in Tokio die Traviata sang, lagen die Jahre eines glaubhaften Pariser Kurtisanenlebens womöglich hinter ihr. Tut nichts. Die Kommentare unter dem Video überschlagen sich vor Begeisterung, und feiern eine alterslos virtuose Könnerin, die sich in einer mehr als 40-jährigen Opernkarriere zunächst bewährte, danach verklärte.
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