Ein Reenactment Wagner’scher Solovorträge an der Uni Thurnau scheitert, weil man das alte Pathos nicht wagt.
Von Andreas Berger
Bei Wagner gilt jedes Wort, und er hat dem Drama immer Vorrang eingeräumt vor der Musik, im Vokalen scheint sie sogar gänzlich von der dramatischen Textbetonung herzurühren. Viele Wagner-Freunde würden aus eigener auch laut gesprochener Lektüre der Texte beteuern, dass der Rhythmus und Tonhöhenverlauf aus dem natürlichen, sinngemäßen Sprechen der Worte hervorgeht. Woher kommt das? Martin Knust hat in einem Buch bereits „Einflüsse zeitgenössischer Rezitations- und Deklamationspraxis“ auf Wagners Werk untersucht. Im Rahmen des Projekts „Wagner-Lesarten“, das eine historisch-informierte Aufführung seines Gesamtwerks anstrebt, bemüht sich das Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth gleichfalls um eine Rekonstruktion des Wagner’schen Sprachideals anhand seiner eigenen Vorlieben.
Bei einem Abendvortrag im Schloss Thurnau referierte Dominik Frank, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut, zunächst gut nachvollziehbar, was Wagner auf den Bühnen schätzte: Beim Gesang war erklärtermaßen Wilhelmine Schröder-Devrient sein Ideal, die bekannt war für ihre gesprochenen Passagen (selbst als Bellinis Romeo), für ihre extreme Stimmnutzung zwischen Flüstern und Schreien, ihre musikalisch extreme Varianz in Tempo und Dynamik. Freilich, so hatte Rebecca Grotjahn jüngst im Band „Szenen-Macher“ herausgearbeitet, hätte Wagner diese Expressivität nicht mehr dem Gestaltungswillen der Sängerin überlassen, sondern als Regisseur selbst bestimmen wollen.
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