Das Deutsche Nationaltheater Weimar legt mit einer von der dortigen Operndirektorin Andrea Moses inszenierten Aida los. Die gerät auf allen Ebenen zu einem packenden Theaterereignis, das unter die Haut geht.
Von Joachim Lange
Das Deutsche Nationaltheater Weimar geht in Sachen Oper mit Giuseppe Verdis Aida an den Start. Inszeniert hat die neue Operndirektorin Andrea Moses. Wer in Weimar schon ihre Interpretationen von Giacomo Puccinis Turandot, Modest Mussorgskys Chowanschtschina, Carl Maria von Webers Freischütz und zuletzt die Uraufführung von Ludger Vollmers The Circle erlebt hatte, der wusste bereits, dass die Elefanten im Zoo und die Palmen im Botanischen Garten bleiben würden. Was ihr Bühnenbildner Jan Pappelbaum als Raum für diese Expedition in Verdis Ägypten auf die Drehbühne gesetzt hat, ist vom kürzlich eröffneten Humboldt Forum in Berlin inspiriert. Dabei scheint in all der Doppeldeutigkeit dieser Interpretation durch, dass dieser Bau eine Replik des alten Stadtschlosses der Hohenzollern ist. Und auch, dass man bei der Suche nach einer langfristig tragenden Bestimmung des Neubaus mitten in den Debatten über die Herkunft zentraler Ausstellungsexponate gelandet ist, die in Fragen zu ihrer Aneignung und in vielen Fällen auch in Forderungen nach Rückgabe an die Ursprungsländer münden.
Methodisch verhält es sich mit dem 1871 in Kairo uraufgeführter Opernprunkstück Aida ähnlich. Hätte der große Italiener Verdi mit einem Ruf wie sein deutscher Kollege Wagner zu kämpfen, würden dieser Oper heute wohl das exorbitante Honorar, das ihm der ägyptische Auftraggeber zahlte, mehr noch aber die europäische Perspektive, mit der er Ägypten mit gleichsam imperialer Geste eine Identität zuschrieb, in die Quere kommen. Aber gegen Verdis Gesinnung und Charakter kann niemand ernsthaft zu Felde ziehen. Dank ihrer ungebrochenen Popularität steht Aida unter Artenschutz, und die Klippen der Interpretation sind eine Herausforderung für ambitionierte Regisseure. So wie jetzt in Weimar, wo Andrea Moses die unterschiedlichen historischen Epochen (Handlungs-, Entstehungszeit und Gegenwart bzw. nahe Zukunft) und Perspektiven (von den Kolonialmächten auf die Kolonien und umgekehrt) überblendet, um daraus packendes Musiktheater zu machen.
Jetzt weiterlesen!
Dies ist Premiummaterial. Testen Sie unsere Angebote, um den gesamten Artikel zu lesen.
Abonnieren
Das aktuelle gedruckte Heft jetzt bestellen oder komplett online lesen!Jetzt mit wenigen Klicks zum OPER!-Inhalt
Ausprobieren
Zwei ausgewählte Artikel kostenlos lesen? Dann registrieren Sie sich hier!In dieser Ausgabe kostenlos: