An der Oper Chemnitz zeigt der Regisseur Ingolf Huhn eine politisch korrekte Version von Verdis Aida.
Von Roland H. Dippel
Giuseppe Verdis Aida ist aktuell der perfekte Prüfstein der Ideale von Anti-Rassismus, Anti-Militarismus und Emanzipation auf dem Theater. Denn zu den vom Librettisten Antonio Ghislanzoni auf die verfeindeten Ägypter und Äthiopier gleichmäßig verteilten Rachedrohungen und Vergeltungsangriffen braucht es kein Blackfacing, keine Rassenunterschiede und keine Handgreiflichkeiten zwischen der Pharaonentochter Amneris und der äthiopischen Königstochter Aida, weil sie beide den erfolgreichen ägyptischen Feldherrn Radamès lieben. Dieses von berühmten Sängerinnen früher gerne grob genommene Rivalinnen-Beißen erfolgt an der Oper Chemnitz mit bemühter Eleganz. Der Ansatz hat allerdings einen Haken: Ohne scharfe Darstellung der krassen Konflikte droht Verdis zur Eröffnung des Opernhauses Kairo bestimmter und erst 1871 nach dem Deutsch-Französischen Krieg uraufgeführten Oper der Spannungsverlust durch Langeweile. Diese Erfahrung machte im März schon Katharina Thalbach an der Semperoper.
Kurz vor dem szenischen Probenbeginn trat das Duo Barbe & Doucet von der Regie seines szenischen Gesamtkunstwerks zurück. Der in Mitteldeutschland als Entdecker romantischer Opern wie Goldmarks Götz von Berlichingen und Dorns Die Nibelungen geschätzte Regisseur Ingolf Huhn sprang ein. In den Pariser Gründerzeitsalon von Barbe & Doucet setzte Huhn eine politisch korrekte Figurenaufstellung. Glanz, Aggression und Lyrik hörte man aus dem Graben. Mit der Robert-Schumann-Philharmonie zog GMD Guillermo García Calvo von den subtilen Streichern des Vorspiels und der Explosivität des Triumphmarsches (mit Aida-Trompeten aus dem Off) bis zu den psychischen Verwüstungen alle Verdi-Register. Große Klasse war das. Angemessen stimmgewaltig zeigten sich nach Stefan Bilz‘ penibler Einstudierung die Chöre. Henrik Victorin erfand das spielerische Ballett für eine äthiopische Göttin (Megumi Aoyama) und einen altägyptischen Kriegsgott (Leonardo Fonseca).
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