Bei den diesjährigen Gluck Festspielen standen zwei Opernmeisterwerke des namengebenden Komponisten im Zentrum. Ebenfalls zu Besuch: Samuel Mariño, der sein Publikum in stratosphärische Höhen entführte.
Von Stephan Schwarz-Peters
Orpheus und Eurydike
Gäbe es eine Unterwelt für abgespielte Opernproduktionen, die einen könnten ruhig im Tartaros verschimmeln, während man andere gern wieder aus dem Elysium zurück ans Tageslicht holen würde – wie Orpheus seine Eurydike. Damit wären wir auch schon beim ersten großen Highlight der Gluck Festspiele, die nach (pardon!) immer verschnarchteren Ausgaben in der Vergangenheit und zweijähriger Corona-Ausbremsung mit ihrem neuen Intendanten und musikalischen Leiter Michael Hofstetter wieder flott an Fahrt gewonnen haben. Am Beginn des Festivals, mit dem die Metropolregion Nürnberg dem kosmopolitischen Oberpfälzer und Opernreformer huldigt, steht – als Gastspiel im Stadttheater Fürth – eine szenische Wiedererweckung aus der Abteilung Opern- und Tanzgeschichte: Pina Bauschs Orpheus und Eurydike-Inszenierung, erstmals gezeigt im Jahr 1975. Für das Tanztheater Wuppertal wurde sie von Bauschs ehemaliger Tänzerin und Assistentin Josephine Ann Endicott rekonstruiert und mit dem Ensemble von heute einstudiert.
Erstaunlich, wie berührend und faszinierend das alles noch nach so vielen Jahren wirkt. Noch nicht ganz zu den „radikalen“ Arbeiten Bauschs zählend, ist es vor allem der aus fließender Gruppenbewegung gewonnene rituelle Gestus der traumhaft ineinander übergehenden und dabei doch nach strenger Symbolik geordneten Tanzbilder, die diesen Orpheus so zeitlos erscheinen lassen: eine gleichsam schwebende und doch ewige Gültigkeit beanspruchende Archaik, wie sie in der Malerei der späte Picasso erreichte. Meisterhaft korrespondiert die Choreografie mit Glucks experimenteller Verknüpfung von reduzierter Handlung und hervorgehobenem Seelenleben der Protagonisten. Der bisweilen deutlich auf christliche Passions-Ikonografie verweisende szenische Rahmen und die organisch aus der Musik entwickelten Gesten der Darsteller bilden eine perfekte Einheit; je ein Tänzer doubelt dabei einen Sänger. Nicht zuletzt war es Bauschs kongenialer Stabmitarbeiter Rolf Borzik, der seinerzeit mit seiner minimalistischen Ausstattung und den geschlechterfluiden Kostümen mit ihrem scharf kontrastierten Farbspektrum die passende Umgebung dafür geschaffen hat.
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