Mit mäßigen Stimmen und dürftigen Regie-Ideen von Barrie Kosky zeigt sich der neue Don Giovanni an der Wiener Staatsoper.
Von Christoph Irrgeher (der Autor ist Redakteur der Wiener Zeitung)
Und wieder ein Kraftakt im Corona-Gegenwind: Anfang Dezember, ein Lockdown lähmte Österreich erneut, hat die Staatsoper dennoch eine Premiere gestemmt – und damit ein Prestigeprojekt: Dieser neue Don Giovanni markiert den Auftakt zu einem Mozart/Da-Ponte-Zyklus unter der Gesamtregie von Barrie Kosky. Entsprechend angespannt verfolgten Wiens Opernfans die TV-Übertragung im ORF; nur Kritiker und Hausangestellte durften in den Logen Platz nehmen.
Zumindest ist der Abend um Lichtjahre moderner geraten als der Vorgänger-Giovanni von 2010. Das ist allerdings kein Kunststück, denn der damalige Regisseur Jean-Louis Martinoty – auch er für die gesamte Da-Ponte-Trias gebucht – hatte die Latte knöcheltief gelegt. Seine Mantel-und-Degen-Ästhetik bescherte dem Haus nicht nur geharnischte Verrisse, sondern gipfelte in einem Eklat. Nach einem gefloppten Giovanni und dem nachfolgenden Figaro ließ der GMD Franz Welser-Möst die geplante Così platzen. Nur der damalige Direktor Dominique Meyer verteidigte seinen Landsmann am Regiepult eisern und hielt dessen Kostümschinken auf dem Spielplan. Wie wohltuend wirkte da nun Koskys Ansage, Mozart eher psychologisch als dekorativ anzugehen.
Tatsächlich wirft Kosky alles Traditionsbeiwerk über Bord und dabei nicht nur die alten Rokoko-Rüschen. Das Büchlein mit Giovannis Liebeseroberungen, die Komtur-Statue auf dem Friedhof, der saftige Braten vor der finalen Höllenfahrt: nichts von alldem auf der Bühne, ja gar keine Requisiten. Eine Radikal-Räumung also. Doch dieser Verzicht macht nicht etwa den Platz frei für ein subtiles Kammerspiel der Seelenregungen, sondern entfesselt ein erstaunliches Ausmaß an Langeweile.
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