Dmitri Tcherniakov gibt Richard Strauss’ Elektra an der Hamburgischen Staatsoper eine gruselige Pointe.
Von Andreas Berger
Gleich der erste Orchesterschlag haut rein und hat noch die archaische Kraft der Tragödie, die eben kein bürgerliches Trauerspiel ist. Dmitri Tcherniakov präsentiert uns als Bühnenbild für seine neue Elektra an der Staatsoper Hamburg freilich wieder einmal den üppigen Charme der Bourgeoisie. Stilvolles Paradezimmer mit Flügeltüren, hohen Regalen, darinnen Bücher und Trophäen arrangiert, als sei der Reeder nur eben zum Golf ausgegangen. Aber der kommt nicht mehr heim. Agamemnon dröhnt nur noch als düsteres Albdruck-Motiv in den Raum. Beherrscht offenbar noch immer gänzlich die Tochter Elektra, die mit Hose, Schlabberhemd und kurzen Haaren wie ein Junge auftritt, sich womöglich in diese Rolle geflüchtet hat, um sich vor weiterer Vergewaltigung zu schützen, von der sie bei Hofmannsthal und Richard Strauss spricht und die hier nicht weggekürzt wurde.
Oder um den vermissten Bruder Orestes zu präfigurieren, der endlich die Rache vollziehen soll. Denn es hat Mord, Ehebruch und Vergewaltigung gegeben in dieser nur äußerlich mit dem Zuckerguss der Bildung überzogenen Familie, in der sich die archaische Konstellation wiederholt. Tcherniakov ist da ein genauer Charakterzeichner, dem zu folgen immer wieder spannend ist und der auch noch eine überraschende Pointe parat hat, wie so oft. Der Elektra-Komplex ist offenbar nicht gut austherapiert. Elektra, der Tomboy, wird im Hause diskriminiert, von der Mutter bis hin zur letzten Magd. Dass Hellen Kwon als fünfte, Elektra eigentlich bewundernde Magd hier alles ironisch darbieten soll, ist eine übertriebene Gleichschaltung, Gegenmeinungen machen die herrschenden Verhältnisse doch nur sichtbarer!
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