Tiago Rodrigues zeigt in Nancy eine abstrakte, kluge Lesart von Wagners Tristan und Isolde, die die Konzentration auf das Singen und Hören steigert. In diesem Umfeld gelingt Dorothea Röschmann ein beeindruckendes Debüt als Isolde.
Von Manuel Brug
Gut Ding muss Weile haben, und große Dinge entstehen bisweilen auch an kleinen Orten. So war es also für die Sängerin Dorothea Röschmann genau richtig, bis zum Alter von 55 Jahren zu warten, um in Nancy sehr gut behütet und in einem künstlerisch kreativen Umfeld ihre erste Isolde in Wagners Tristan zu singen. Röschmann, mit einem Grammy, dem Deutschen Schallplattenpreis und diversen weiteren Auszeichnungen bedacht, ist Anfang der 90er-Jahre an der Berliner Staatsoper unter Daniel Barenboims Fittichen und dank der klugen Besetzungspolitik des unlängst verstorbenen Opernchefs Hans-Dieter Roser zu einer der Stützen des Hauses herangewachsen und gereift. Die Flensburgerin, ein lyrisch warmer Sopran erster Güte, war Susanna, Zerlina, Pamina, Fiordiligi Freischütz-Ännchen und Meistersinger-Eva, Scarlattis Griselda und vieles mehr. In Salzburg bedeutete 1995 ihre Susanna unter Harnoncourt den internationalen Durchbruch, in München sang sie viele Händel-Partien, sie gastierte in New York, London, Paris, Wien und an der Scala.
Und so wie sie sich in Berlin oder Salzburg von der Susanna zur Gräfin (in Berlin zuletzt 2018), inzwischen sogar zur Marcellina entwickelt hat, so folgte auf das Ännchen die Agathe, auf die Zerlina die Donna Elvira. Ihr Sopran wurde voller und runder, Dorothea Röschmann hat längst auch den Schritt vom leichteren Händel zum schwereren Gluck getan, sich bei Strauss die Marschallin und die Ariadne erobert, bei Verdi die Desdemona bei den Osterfestspielen Salzburg. Und auch die Lohengrin-Elsa sang sie bereits 2009 unter Barenboim in Berlin, die Elisabeth hat sie auch schon seit einigen Jahren drauf. Daneben hat Dorothea Röschmann immer darauf geachtet, regelmäßig Lied und Konzert zu singen, um sich die Stimme gesund und frisch zu halten.
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