An der Staatsoper Berlin stellt der Regisseur Philipp Stölzl in Puccinis Turandot die Frage nach der Freiheit der Liebe und der Freiheit der Kunst. Szenisch und musikalisch ein beeindruckender Abend.
Von Antonia Munding
Turandots Reich liegt bei Philipp Stölzl unter einem mächtigen Reifrock, den ein unheimlicher Puppenkopf krönt. Eisig lächelnd wacht dieser über einen Schoß, der nichts als den Tod hervorbringt. Lüftet sich der Stoff wird im Halbdunkel ein Freier erschlagen, später blitzen hunderte kahle Schädel darunter hervor. Im gelben Scheinwerferlicht sehen sie aus wie aufgedunsenes Popcorn. Ist diese Turandot nur ein Hirngespinst? Die Erfindung eines autokratischen Regimes? Vor psychedelischen Lichtkreisen zieht eine hypnotisierte Masse die riesige Marionette wie eine Kirchenglocke empor. Das Volk erschafft sich das gnadenlose Regime, unter dem es ächzt, selbst.
Dazu bewegt sich der Chor roboterhaft, als gleichgeschaltete Masse in Mao-Anzügen – punktgenau choreografiert auf die scharfen Blechfanfaren und einpeitschenden Streicherklänge aus dem Orchestergraben. Puccinis Musik setzt unter Zubin Mehtas bemerkenswert kraftvollem Dirigat bereits zu Beginn ein expressives Statement: Dass die Köpfe in Turandots Reich rollen, ist nicht nur das Werk einer grausamen Narzisstin. Vielmehr gründet die Gewalt in der an Turandots Urahnin begangenen Schändung. So ist eine Gesellschaft entstanden, in der Demütigung und Tod auf der Tagesordnung stehen.
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