Mit einer Starbesetzung rund um Anna Netrebko eröffnet die Scala die neue Spielzeit mit Verdis Macbeth. Davide Livermores Inszenierung erinnert dabei an die Bilderwelt von Christopher Nolans Film Inception.
Von Franziska Stürz
Auch in seiner vierten Inszenierung einer Scala-Neuproduktion zur Saisoneröffnung setzt der Regisseur Davide Livermore in Mailand voll auf filmische Mittel und die Kreativität seines Video-Teams. Wie sehr sich die Wirkung der medialen Übertragung vom Live-Eindruck unterscheiden kann, lässt sich an dieser allein in Italien von über zwei Millionen Zuschauern am Bildschirm verfolgten Produktion exemplarisch diskutieren. Im Opernhaus herrscht eine gesunde räumliche Distanz zu den nicht mehr ganz so jungen Protagonisten und eine spezielle Akustik, die viel an Schärfen schluckt und eine eigene Balance zwischen Bühne und Orchestergraben fordert. Close-up statt Raumklang liefert die Übertragung. In beiden Fällen sollte man Christopher Nolans Film Inception aus dem Jahr 2010 gesehen haben, um die sich spiegelnden, graukalten, futuristischen Hochhauslabyrinthe im Videobühnenbild als Albtraumwelt-Zitat zu erkennen.
Um Machtträume, Mordfantasien und daraus resultierende Schlaflosigkeit geht es ja tatsächlich in Macbeth, und das schottische Königsdrama in eine knallharte heutige Unternehmerwelt zu versetzen, funktioniert. In einen Sepiaton gefärbt und beklemmend ist auch der Wald, in dem Livermore die Handlung beginnt. Macbeth und Banco metzeln mit anachronistischen Langschwertern Guerillakämpfer nieder, um dann in einer faszinierend gefilmten Autofahrt in die City zurückzukehren, in der Macbeth ganz oben im Scottish Court Tower residiert. In lautloser technischer Perfektion gleiten die Hebebühnen der Mailänder Scala auf und ab, um die Aufzugfahrten in diesem Turm zu visualisieren, im Hintergrund zucken Blitze durch die Wolkenkratzerspiegelungen, Vorhänge blähen sich im Wind – es gibt viel Bewegung auf der Bühne, sodass die Solisten relativ statisch bleiben.
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