Wie viele Ring-Aufführungen braucht die Welt? Gedanken zu einem Werk zwischen Festspiel und omnipräsentem Dauerbrenner, zwischen Inflation und pluralistischem Gewinn.
Von Roland H. Dippel
Allein in Deutschland wird es in der gerade neu angelaufenen Spielzeit elf Produktionen der Götterdämmerung geben. George Bernard Shaw nannte das Werk einst „große Oper“, also ein Genre mit ausgeprägter Marketing-Struktur. Es ist fraglich, ob Wagner eine derartige Massenverbreitung mit Abonnement-Anschluss und Theatercard-Rabatten recht gewesen wäre. Denn der Musiktheater-Visionär betrachtete sein Spätwerk als exklusives Festspiel. Auch deshalb hatte er den von König Ludwig II. von Bayern in München angeordneten Uraufführungen von Das Rheingold (1869) und Die Walküre (1870) nur widerwillig zugestimmt.
Einige Städte bieten den Ring derzeit sogar in zwei Versionen an. An der Semperoper Dresden dirigiert Christian Thielemann ihn in einer szenischen Version im Januar 2023, im Dresdner Kulturpalast stemmt Marek Janowski bereits vorher, im Herbst 2022, einen konzertanten Ring, nachdem er den Vierteiler bereits vor 40 Jahren mit der Staatskapelle Dresden und vor nicht allzu langer Zeit mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin eingespielt hat. An der Staatsoper Budapest gelangt im November 2022 der vor und nach der Pandemie geschmiedete Ring zur zyklischen Aufführung, gleichzeitig ist am Müpa (ehemals Palast der Künste) Hartmut Schörghofers Einrichtung mit digitalen und filmischen Mitteln seit Jahren ein Hit der Wagner-Tage Budapest.
Aber nicht nur Wagner-Produktionen der Bayreuther Festspiele und der großen Opernhäuser finden durch physische und digitale Medien Verbreitung. Den 2008 geschlossenen ring in weimar in der Regie von Michael Schulz gibt es auf DVD, der des Dirigenten Günter Neuhold vom Badischen Staatstheater Karlsruhe ist ein beliebtes CD-Schnäppchen. Sogar an Ersatzspielstätten wird der Ring gespielt, etwa im Landshuter Zelt des Landestheaters Niederbayern, das bisher nie durch besondere Wagner-Affinität auffiel.
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