Das Staatstheater Saarbrücken zeigt ein Rheingold aus der nahen Zukunft. Das Ergebnis: ein Opernabend voller Ernst, Witz und musikalischer Souveränität.
Von Roland H. Dippel
„Erst kommt das Klonen, dann kommt die Moral“ könnte das Motto für den neuen Ring des Nibelungen am Saarländischen Staatstheater in Saarbrücken sein. Zufall oder Konzept-Vorstoß mit Gegenwartsrelevanz? Der in enger Verzahnung von Szene, Bühne und Musik begonnene Ring des Regie-Duos Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka zeigt, wie Valentin Schwarz bei den diesjährigen Bayreuther Festspielen, den Goldhort als nicht-materielle Ressource. Während der Bayreuther „Netflix-Ring“ szenische Lücken und Rätsel präsentiert, überließen Szemerédy und Parditka nichts dem Zufall. Auch in Saarbrücken weicht das Geschehen oft stark von Wagners Bühnenfestspiel-Text ab. Jede Eigenwilligkeit hat aber einen aktuellen Bezug, der letztlich wieder zu den Narrativen des von 1847 bis 1876 entstandenen Monumental-Musikdramas passt. Der Abend hat Ernst, Witz und musikalische Souveränität.
Für die wegen der Pandemie vom März 2020 um zweieinhalb Jahre verschobene Rheingold-Premiere gab es Begeisterung und lauten Widerspruch. Einhelligen Jubel erhielt die aus dem Ensemble kommende fulminante Besetzung mit nur zwei Gästen. Einer ist Paul McNamara als kräftig wendiger Mime. GMD Sébastien Rouland durchdenkt Wagners revolutionärstes Stück mit sensitiver Gedankentiefe und hochmusikalisch erarbeiteter Textdeutlichkeit. Man hört nach der durch die Terminverschiebungen großzügigen Probenzeit eine äußerst seltene Sorgfalt von Nuancen und Klangfarbenschichten. Berufungsgemäß artikulieren sich auch die zu Genlabor-Assistentinnen beförderten Rheintöchter (Bettina Maria Bauer, Valda Wilson, Carmen Seibel) im prägnanten Deklamationsarioso der Götter, die keine mehr sind. Pausenlose 130 Minuten zelebriert das Saarländische Staatsorchester einen lyrisch-profunden Kosmos von Wagners Gnaden.
Jetzt weiterlesen!
Dies ist Premiummaterial. Testen Sie unsere Angebote, um den gesamten Artikel zu lesen.
Abonnieren
Das aktuelle gedruckte Heft jetzt bestellen oder komplett online lesen!Jetzt mit wenigen Klicks zum OPER!-Inhalt
Ausprobieren
Zwei ausgewählte Artikel kostenlos lesen? Dann registrieren Sie sich hier!In dieser Ausgabe kostenlos: