Das Janáček-Festival in Brünn kombiniert Janáčeks bitteren Opern-Schwanengesang Aus einem Totenhaus mit der Glagolitischen Messe. Starke Szene und Musik machen daraus einen emotionalen Abend.
Von Manuel Brug
Ein Gefängnis ist ein Gefängnis. An jedem Ort der Welt. Zu allen Zeiten. Mögen auch die Haftbedingungen unterschiedlich sein, der Alltag ist trist, hier geht es um Schuld und (vielleicht) Sühne, manchmal auch um Unschuld, um Unterdrücker und Unterdrückte. Ein Ort, an dem der Mensch zum Menschen wird, aber eben auch zum Unmenschen, zum Tier. Ein Platz, wo unser Rassenverhalten ziemlich unverstellt zum Ausdruck kommt, wo man sich kaum verstecken kann, auf sich selbst zurückgeworfen ist. Solches als Opernthema, das geht kaum radikaler, frauenloser, weniger klischeehaft. Und doch ereignet sich auch an einem Ort wie diesem Hoffnung und Sehnsucht, Liebe gar, Verzweiflung und Trauer, die großen emotionalen Momente der Oper eben.
Insofern war es richtig und fast zwangsläufig, dass Leoš Janáček sich nach seinen mährischen Dorf-, Frauen- und Fuchsgeschichten, die doch nur Parabeln sind für das Schicksal (so hieß schon die vierte seiner neun Opern) und die Natur als solche, in seinem letzten, 1930 in Brünn uraufgeführten Musiktheater Aus einem Totenhaus nach Dostojewskis Prosaarbeit von 1862 mit dem Menschen und Unmenschen beschäftigte. Denn auch hier, im kalten, miesen Gulag mit seinen nicht sonderlich sympathisch aus der Masse heraustretenden, aber eben doch schuldig gewordenen Insassen und Angestellten, zeugt seine faszinierend ruhelose, dann wieder lethargische Partitur von der archaisch-utopischen Einheit der Elemente: Musik-Sprache als Sprachmusik.
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