Christian Thielemann verabschiedet sich von den Osterfestspielen Salzburg mit Lohengrin-Glanz, das Inszenierungstrio Jossi Wieler, Anna Viebrock und Sergio Morabito steuert dazu viele offene Fragen bei.
Von Joachim Lange
Thomas Mann sah im Lohengrin einen Gipfel der Romantik. Die leisen Trompetentöne aus der Ferne, die man kurz vor Elsas „In lichter Waffen Scheine“ durchaus überhören kann, und die bei dem einen oder anderen Dirigenten auch mal unter die Räder kommen, hatten es dem erklärten Wagner-Liebhaber und -Kenner Christian Thielemann angetan. Ganz gleich, wie man zu ihm stehen mag, in Sachen Wagner ist er eine Referenzgröße. Wenn dann auch noch die Sächsische Staatskapelle mit im Bunde ist, birgt selbst die Akustik des Großen Festspielhauses keine Gefahren. Die Hoffnung auf einen mustergültig silberblauen Streicherglanz des Vorspiels und alle folgenden Orchesterfreuden, die Lohengrin auch danach in Fülle bietet, erfüllte der Dirigent bei den endlich wieder vor vollbesetztem Haus stattfindenden Osterfestspielen restlos. Das Gewandhausorchester, das in Leipzig gerade den Wagner-22-Kanon mit dem noch fehlenden Schwanenritter-Stück komplettiert hat, wird bei den Osterfestspielen im kommenden Jahr mit dem Münchner Castellucci-Tannhäuser unter Andris Nelsons jedenfalls in große Wagner-Fußstapfen treten! Ausreichend „geübt“ haben werden die Leipziger mit den bis dahin aufgeführten sämtlichen 13 Wagner-Opern.
Mit der aktuellen Neuinszenierung, die diesmal nicht mit der Semperoper, sondern mit der Wiener Staatsoper koproduziert wurde, verabschieden sich Thielemann und die Dresdner – nicht ganz freiwillig – von den Osterfestspielen. Was schon allein deshalb schade ist, weil dieser Dirigent wie kein Zweiter aus der Breitbandbühnentücke des Großen Festspielhauses eine Transparenztugend zu machen versteht. So fein aufgefächert und doch klug zusammengeführt (durch-)hört man etwa den Moment der Besinnung vor dem Gotteskampf im ersten Aufzug selten. Bei Thielemann wirkt jede Tempo- oder Lautstärkedosierung wie vom Komponisten persönlich abgesegnet. Dazu gehört, dass er sich auf jede Stimme sensibel einzustellen vermag. Auf die ganz großen und machtvollen wie die von Hans-Peter König, dessen wirklich königlicher Heinrich jeden Winkel des Saales ausfüllt, auf die souveräne Eloquenz von Elena Pankratova als Ortrud und auch auf den vollen Einsatz des bis an seine Grenzen gehenden Martin Gantner als Telramund. Markus Brück stattet den Heerrufer vokal mit dem Offiziersrang aus, in dem ihn seine Uniform neben den wie Hindenburg auftretenden König platziert. Ob sich die charismatisch spielende, jugendlich zart klingende Jacquelyn Wagner mit dieser Festspiel-Elsa einen Gefallen getan hat, mag man bezweifeln. Sie hat allerdings das Glück, dass Thielemann auch eine so schlanke und (zu) leichte Stimme vom Orchester tragen lässt und nicht zermalmt. Das gilt auch für den Tenor Eric Cutler, der sicher mehr Individualität in der Stimme hat als der Lohengrin vom Dienst Klaus Florian Vogt. Er musste hier nicht nur den Kampf mit einem lächerlich verunglückten Kostüm, sondern auch mit den mitunter sehr getragenen Tempi bestehen. Was ihm zumeist respektabel gelang.
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