In Brüssel findet Tobias Kratzer für jeden Einakter aus Puccinis Trittico ein eigenes Regie-Rezept – und gestaltet dabei trotzdem einen subtil zusammenhängenden Abend.
Von Manuel Brug
Die Uraufführung seines Trittico fand 1918, mitten im Ersten Weltkrieg, in New York statt. Giacomo Puccini konnte nicht anwesend sein. Und doch hatte er, der bis heute gern von Ignoranten als Kitschier für die kleinen Leute gedisst wird, hier die Ästhetik der italienischen Oper radikal aufgebrochen wie keiner vor und nach ihm. Gegen den geschlossenen Werkbegriff setzte er im bis heute viel zu selten komplett gespielten Il trittico drei Einzelstücke, die sich musikalisch wie inhaltlich radikal unterscheiden. Als Triptychon eint sie höchstens, dass in allen drei Stücken gestorben wird, dass die Menschen ihren Verhältnissen ausgeliefert sind – und dass sich diese Einakter tragisch, sentimental, komisch, zeitlich rückwärts bewegen: aus dem sozialen Milieu der Entstehungszeit unter Pariser Flussschleppern über ein Frauenkloster am Ende des 17. Jahrhunderts in ein Florentiner Bürgerhaus am Ende des Mittelalters.
Eine jüngere Regiegeneration hat inzwischen Gefallen an dem eher unterschwellig als offensichtlich verknüpften, auch musikalisch nachdrücklichen Dreiergespann gefunden. 2006 hat Katharina Wagner an der Deutschen Oper Berlin poppig schrill nicht nur die Reihenfolge vertauscht, 2008 hat Claus Guth es in Frankfurt komplett auf ein Schiff verlegt. 2012 verortete Damiano Michieletto es für das Theater an der Wien in einem Containerlager, 2017 Lotte de Beer an der Bayerischen Staatsoper in einem blechern kantigen Trichter, in dem die Geschichten rückwärts in die Zeit zoomen. Anfang des Jahres hat es Roland Schwab in Essen in monochromen Lichträumen spielen lassen, diesen Sommer inszeniert auch Christof Loy die komplette Trias in Salzburg; Barrie Kosky plant sie für die Dutch National Opera in Amsterdam.
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