In Zürich schmieden Regisseur Andreas Homoki und Dirigent Gianandrea Noseda mit Siegfried weiter an Wagners Ring. Während der eine mit Detailliebe und einer gelungenen Personenregie punktet, gibt der andere dem Stück eine dunkle Grundierung.
Von Tobias Gerosa
Da tappt tatsächlich ein Bär: ein tapsiger, flauschiger Begleiter bei Siegfrieds erstem Auftritt – so wie es Richard Wagners Libretto vorsieht. Am Opernhaus Zürich hält sich Regisseur Andreas Homoki daran. Wovor sich sein Ziehvater Mime fürchtet, ist für den jugendlichen Helden spielerischer Zeitvertreib, für ihn, der das Fürchten nicht kennt und der, ohne es zu wissen, für seinen Großvater Wotan die Weltordnung retten soll. Später wird auch der Lindwurm leibhaftig auftreten (bedrohlich, wenn nur die zuckende Schwanzspitze sichtbar ist oder dann als gespenstisch zuckender Kadaver – einem Meisterstück der Licht- und Videotechnik), und da liegt auch der schon aus der Walkürebekannte glühende Felsen, auf dem Brünnhilde schlafend wartet, bis sie von einem wahren Helden geweckt wird. Das Waldvögelein trägt Schwingen, und natürlich ist das Schwert Nothung hier ein richtiges Schwert, das Siegfried in diversen Arbeitsgängen raspelt, schmilzt, gießt, kühlt, schmiedet und so musikdramaturgisch sinnfällig die Wechsel zwischen Schmiedeliedern und Mimes dazwischen geschnittenen Giftbrauversuchen beglaubigt.
Auch dieser dritte Teil des Zürcher Rings spielt in Christian Schmidts großbürgerlichem Salon, der sich konstant dreht. War er in Rheingold und der Walküre strahlend weiß, so ist er jetzt, nach dem Verlassen der Götterwelt, pechschwarz. Mimes Neidhöhle besteht aus lauter übergroßen, lädierten Möbeln, die wie Fremdkörper herumliegen – zu groß, zu unpassend, zu kaputt. Mime zieht darin diesen „Sürmel“ Siegfried auf, wie man schweizerdeutsch sagen würde: ein undankbarer, anmaßender Jugendlicher, dem Mimes Oberlehrerart natürlich missfällt und zum Widerstand anstachelt. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke zeichnet diese Figur mit Dauerwelle und Pullunder spannend: bemüht und überfordert, berechnend und doch irgendwie auch liebevoll – wenn da nur die Gier des Biedermanns nach dem Ring, der die Macht über die Welt verleiht, nicht wäre. Und dieser Siegfried in seiner Dreiviertelarbeitshose und mit seinem ständigem Schwertgefuchtel macht es seinem Umfeld ja auch alles andere als leicht!
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